Sonntag, 12. Mai 2024

Holsteinischer Courier vom 03.09.2011

Die Lage für die Oberbrandmeister Timo Langermann und Stefan Krebs ist verzwickt. Vor ihnen brennt ein Sofa, hinter ihnen hat ein Gaszähler Feuer gefangen und auch auf der Treppe, die sie für den Rückzug benötigen, schlagen auf einmal wieder Flammen in die Höhe. Doch die beiden Berufsfeuerwehrleute behalten den Überblick. Sie löschen zuerst die Treppe, dann den Gaszähler, zuletzt das Sofa. Die Besonderheit: Das gesamte Szenario findet in einem Metallcontainer auf einem Lkw-Auflieger statt. Zum ersten Mal ist eine mobile gasbefeuerte Brandübungsanlage in Neumünster. Im Gefahrenabwehrzentrum trainieren das gesamte Wochenende insgesamt 190 Feuerwehrleute aus der Stadt und dem Umland - allesamt Atemschutzgeräteträger - Einsatztaktik und Einsatztechnik.

"Das ist ein Quantensprung in der Ausbildung", schwärmt Sven Kasulke, Chef der Berufsfeuerwehr. Er hat die bei Feuerwehren in ganz Deutschland heiß begehrte Anlage, von der bisher nur wenige Exemplare auf dem Markt sind, für drei Tage angeworben. Entwickelt und gebaut wurde sie bei den Dräger-Werken in Lübeck. "In Schleswig-Holstein gibt es so etwas bisher nicht - nur Wärmeübungsanlagen, in denen richtiges Holz brennt", sagt Kasulke. Der Vorteil der Gasanlage: Flammen können reguliert und per Knopfdruck an- und aus- geschaltet werden.
Das ist Aufgabe von Detlef Krone. Der Brandamtmann bei der Berufsfeuerwehr Braunschweig ist Ausbilder und kennt den Container mit seiner kompletten Metallausstattung aus dem Effeff. Von einem kleinen Kontrollraum heraus bedient er die Knöpfe und kontrolliert die Hitze- und Gassensoren. Durch Fenster beobachtet er außerdem, wie die Feuerwehrleute im Traningsraum vorgehen. So kann er nicht nur auf die aktuelle Situation eingehen und zum Beispiel gezielt neue Feuer setzen, sondern er erkennt auch die Schwächen. "Der häufigste Fehler ist, dass gerade Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren oft Angst haben, nah ans Feuer zu gehen. Diese Hemmschwelle wollen wir abbauen", sagt Detlef Krone. Die Arbeitskleidung biete guten Schutz. Auch die Wassermenge ist ein Thema. Bei einer Durchzündung zum Beispiel, wenn das Feuer Stichflammen wirft, sollte sparsam mit Wasser umgegangen werden, rät Krone. "Sonst ist der Arbeitsanzug gleich nass und leitet die Hitze besser." Und Hitze ist das Stichwort: 20 Minuten sollen alle 90 Berufsfeuerwehrleute und rund 100 Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren in dem Container bleiben. Immer zwei Mann gehen zum "Einsatz" vor. Eine Tortur, wie auch Stefan Krebs und Timo Langermann wissen. "Das schlaucht wegen der hohen Temperaturen sehr. Der Körper verliert viel Flüssigkeit. Das bringt uns an unsere Leistungsgrenzen", sagt er.
Doch von dieser Ausbildung verspricht sich Sven Kasulke viel. "Wir müssen und wir wollen unser Niveau bei der Feuerwehr stets verbessern. Das geht nur, wenn wir mit derart realistischen Bedingungen üben können, wie das hier möglich ist. Im Ernstfall können wir nicht ausbilden", sagt der Berufsfeuerwehr-Chef.
Die Motivation bei den Feuerwehrleuten jedenfalls ist groß. An allen drei Tagen ist die Anlage von morgens um 8 Uhr bis nachmittags um 16 Uhr ausgebucht. "Mehr geht wirklich nicht", sagt Kasulke. Alle fünf Jahre will er künftig den Container anfordern. Finanziell jedenfalls ist es kein großer Aufwand: 40 Euro pro Person kostet die Teilnahme. Und um die Verpflegung kümmern sich die Freiwillige Feuerwehr Stadtmitte und die Gefahrgut-Einsatzgruppe II.

Quelle: Christian Lipovsek, Holsteinischer Courier vom 03.09.2011